Sonntag, 10. Oktober 2010, gegen 22.30 Uhr. Ich greife zum Telefon. Polizeieinsatzzentrale. Es ist soweit. Der Mann am anderen Ende
der Leitung stockt. Deutlich höre ich sein wortloses Erstaunen. „Ja, dann schicke ich mal eine Streife vorbei.“ - „Danke!“Der Lochbach ist wieder übergelaufen. Das Wasser plätschert bereits in die
Kleingärten des Haunstetter Vereins auf der anderen Bachseite. Bei uns herüben stehen mehrere Gärten völlig unter Wasser. In Kürze würde es wieder unser Wohnhaus erreichen. Nicht auszudenken, wenn das die ganze Nacht so
weiterläuft. Warum das Wasserkraftwerk in letzter Zeit immer wieder Rückstaus verursacht, mit flächendeckenden Überschwemmungen, mochte der Mann vom Augsburger Tiefbauamt vor drei Tagen am Telefon nicht preisgeben. Die
Überschwemmungen hörten jedenfals nicht auf.
Die Polizisten leuchten mit einer großen Stablampe über das Gartentürchen, vor dem wir auf sie gewartet haben und hinter dem ein aufgedrehter Wasserhahn zu
rauschen scheint. Im Lichtschein erglänzte der Garten wie ein Spiegel. Nun kommt das Wasser schon zu dem kleinen Treppenabsatz bei der Tür. Gleich will es auf den Weg hinauslaufen, doch es muß sich beeilen, denn nun
geht es der Flut an den Kragen. Einsatzzentrale - Rückmeldung - Feuerwehr. - „Ist schon unterwegs“, heißt es.
Die Nacht ist kühl, doch zum Frösteln bleibt keine Zeit. Sirenen rollen an. „Kommen die mit
Blaulicht“, frage ich. „Sicher“, sagt der Polizist. „Das gehört sich so.“ Und tatsächlich taucht uns der LKW alle in flitzendes Blau, während er auf uns zufährt. Entgegen der Dramatik dieser Szene, ist der
Feuerwehrkommandant vollkommen ruhig und gelassen. Bei seinem Anblick vergesse ich für einen Augenblick die Kälte und meine innere Aufregung.
Interessiert wirft der Mann einen Blick auf die schwimmenden
Gärten. Wir führen ihn auch zu uns, wo ich einen Scheinwerfer vorbereitet habe, der weit über den Bach leuchtet. Die Vereinsgärten jenseits erinnern mich an Nepals Reisfelder im Mondlicht. Eigenartig, Sumpf kann auch
schön sein. Aber nur dort, wo er hinpaßt.
Manche unserer flutgeplagten Nachbarn stellen seit einer Weile Gießkannen oder Eimer an bestimmte Stellen in ihren Gärten. Liegen diese am nächsten Morgen ganz
woanders, dann wissen sie - die Lochbachflut war wieder da. Als sich Montagmorgen die Nachbarin, wie so oft schon, beim Hausmeister des Kraftwerks beschwerte, reagierte der Ertappte schroff. „Halt’ Gosch. D‘ Feierwehr
war da!“
Was die Feuerwehr in jener Nacht aufdeckte, kennen wir. Die ungenehmigten Umbauten am Kraftwerk pfeifen die Haunstetter Spatzen überall von den Dächern. Die fehlende Betriebssicherheit ist amtlich
bestätigt. Und alle wissen jetzt:
Jedes Kraftwerk braucht einen Überlauf - der schützt vor Überschwemmungen!